„…The spider-man is having you for dinner tonight” (copyright by The Cure) oder
Die Spinne im Netzwerk – wie Lager entstehen

Seit vielen Jahren bin ich Teil dieser Szene, mal mehr, mal weniger aktiv. Ich liebe sie – wegen der Musik, wegen ihrer Tiefe, ihrer Ambivalenz und ihrer Schönheit im Dunkeln, die in so vielen Facetten vorhanden ist.
Ich habe dort Freundschaften gefunden, die mehr sind als nur Gleichgesinnte. Ich habe gelacht, geweint, getanzt. Und ich habe immer wieder erlebt, wie sich Gruppen in Lager aufteilen, wie Menschen gegeneinander ausgespielt werden, wie Misstrauen wächst wie Efeu in einer verlassenen Villa. Anfangs von außen noch schön anzusehen, aber irgendwann so überwuchert, dass das Fundament angegriffen wird.
Oft beginnt es leise – mit einem Gerücht, einem Seitenblick, einem „Ich sag’s dir nur, weil ich dich mag“ und „wenn XY da ist / auflegt, gehe ich da nicht mehr hin“. Irgendwann steht man plötzlich auf einer Seite, ohne zu wissen, wie man dorthin geraten ist.
Fast jede:r in der Szene kennt solche Sätze. Flüstern, Andeutungen, kühle Blicke. Wo vorher noch augenscheinlich die Welt in Ordnung war, herrscht nun kalter Krieg.
Schauen wir hinter diese Dynamik, so erkennen wir, dass oft eine Einzelperson dahinter steht, manchmal verborgen, manchmal auch in vollem Scheinwerferlicht. Nennen wir sie die Spinne.
Die Spinne wirkt zu Beginn oft freundlich, hilfsbereit, empathisch, vielleicht manchmal sogar ein wenig zu sehr von allem. Schnell wird diese Person zum Problemlöser und einem seelischen Knotenpunkt – mit Vorliebe für private Gespräche im Clubflur oder im Raucherbereich.
Was sie erfährt, wird gespeichert: Unsicherheiten, frühere Konflikte, alte Wunden. Und irgendwann tauchen diese Infos wieder auf – allerdings selektiv verteilt und mit szenischem Timing.
Die Lagerbildung beginnt nicht mit einer Lüge, sondern mit gezielten Halbwahrheiten, Spannungsstiftung und Loyalitätsprüfungen. Wer mit wem spricht, oder wessen Parties man besucht, wird plötzlich zur politischen Frage.
Und bald ist nicht mehr die Musik das Verbindende – sondern die Angst, sich falsch zu verhalten, ausgestoßen zu werden aus der Gemeinschaft, vielleicht sogar eine leise Wut oder Abneigung gegen ein anderes Lager, aus welchen Gründen auch immer.
Außenstehende bekommen von diesen Konflikten meistens nichts mit, sondern fühlen unter Umständen nur die unterkühlte Atmosphäre. Und wer hält sich gerne in einem drohenden Schneesturm auf?
Ich habe viele Szene-Menschen als verletzlich und offen kennengelernt – das macht sie gleichzeitig ansprechbar und angreifbar, denn positive Eigenschaften können in den „falschen“ Händen instrumentalisiert werden. Konflikte werden so häufig dramatisiert statt gelöst. Partys werden nicht mehr besucht, weil XY dort sein oder auflegen könnte. Aus Menschen werden Warnschilder.
Ist der Schneesturm erst einmal da, zieht die Spinne weiter, der Zyklus beginnt von Neuem.
Was kann man dagegen tun?
Bleib transparent. Wenn dir jemand etwas über andere erzählt, höre auf dein Bauchgefühl und frag selbst nach, wenn du unsicher bist.
Lass dich nicht instrumentalisieren. Denn Freundschaft bedeutet nicht, Feindschaften zu übernehmen.
Tu, was du willst.
Mit wem – und wo – du willst.
Niemand in der Szene darf dir vorschreiben, wer in deinem Leben Platz haben darf.
Du bist keine Schachfigur in einem Drama-Spiel.
Deine Gespräche, deine Begegnungen und deine Bindungen gehören nur dir.
Wer dir subtile oder direkte Schuldgefühle macht, weil du mit der „falschen“ Person tanzt, trinkst oder sprichst, oder welche Party du besuchst, will keine Verbindung – er will Kontrolle.
– Nicht jede Spinne ist giftig, aber manche spinnen ihr Netz aus Absicht. –