Eine Szene, eine Region

Interview mit Aeon Sable

Lesedauer 6 Minuten

NRW Noir: Eure Musik wird oft als eine Mischung aus Gothic Rock, Post-Punk und Darkwave beschrieben. Welche Bands oder Künstler haben euch musikalisch am stärksten beeinflusst?

Din-Tah: Ein bisschen Metal steckt unserer Meinung nach auch noch mit drin. Wir sind geprägt von der alternativen und düsteren Musik unserer Jugend. Die der 80er und 90er Jahre.

NRW Noir: Viele eurer Songs haben einen introspektiven und okkulten Charakter. Was bedeuten Spiritualität und Mystik für euch und wie fließen diese in eure Musik ein?

Nino: Ich denke, der okkulte Charakter der sich in unserer Musik widerspiegelt, ist allem voran der Literatur die wir mögen zuzusprechen. Sowohl Din, als auch ich, haben einen ausgeprägten Faible für Sci-Fi- und Horrorliteratur und eben dort befindet sich oft ein guter Nährboden für Okkultismus. Natürlich sind auch wir (indirekt und in Teilen) durch unsere Prägungen geleitet.
So gesehen sind unserer Songs True Stories. Okkultismus, Magie (etc)… sind in dem Zuge eher das Programm, welches die innewohnenden Metaphern ausgebildet hat.

NRW Noir: Euer letztes Album *Aether* wurde von Fans und Kritikern gleichermaßen gut aufgenommen. Wie war der kreative Prozess hinter diesem Album und was unterscheidet es von euren vorherigen Veröffentlichungen?

Din-Tah: Der Prozess ist bei jedem Album recht ähnlich. In der Regel bündeln Din und ich unsere gesammelten kreativen Energien und lassen sie in unserem Tonstudio zusammenfließen. Was sich von Album zu Album ändert, ist dass wir unser Handwerk verfeinern. Da wir produktionstechnisch alles selbst machen, ist das ein großen Konglomerat an Techniken, die wir da anwenden. Aether unterscheidet sich dadurch, dass es musikalisch und technischer ausgereifter ist, ohne unsere typische Basis zu vernachlässigen.


NRW Noir: Unser aktuelle Wochenthema im Discord ist „Die Szene damals vs. heute“. Wie seht ihr die heutige Szene im Vergleich zu früheren Zeiten? Welche Entwicklungen findet ihr positiv oder negativ?

Din-Tah: Die Entwicklung der Szene verhält sich meiner Ansicht nach parallel zu der Entwicklung der Gesellschaft an sich. Viele der sozialen Strukturen von früher fallen weg, da der Computer bzw. das Smartphone die soziale Interaktion stückweise abgelöst haben. Dafür haben wir in der heutigen Zeit mehr Möglichkeiten durch die Digitalisierung als früher. Die Frage ist, ob man diese vielen Möglichkeiten wirklich braucht oder ob sie nur vom Wesentlichen ablenken?

NRW Noir: Ihr habt in der Vergangenheit sowohl auf großen Festivals als auch in kleineren Clubs gespielt. Was bevorzugt ihr: die intime Atmosphäre eines kleinen Konzerts oder die große Bühne?

Din-Tah: Gerne im Wechsel. Beides hat seine Reize, die Wechselwirkung in Clubs zwischen Band und Besucher, genauso wie in einem Moment eine Masse von Leuten zu erreichen wie in großen Hallen.

NRW Noir: Welche Herausforderungen seht ihr aktuell für Künstler in der Gothic- und Darkwave-Szene? Und wie bleiben Aeon Sable kreativ und relevant in einer sich ständig verändernden Musikwelt?

Din-Tah: Seit der Corona Zeit ist es immer schwieriger geworden, kleine Konzerte oder Festivals finanziell zu stemmen und daher schwindet auch die Zahl der Veranstalter. Bei den großen Festivals hat man dagegen den Anschein, dass dort jedes Jahr die gleichen 10 großen Bands spielen. Man hat es mittlerweile einfacher, ein Album zu produzieren und zu vertreiben, aber dafür auch immense Konkurrenz. Wir machen das, woran wir glauben und was wir selbst gerne hören und sehen wollen und vertrauen darauf, dass diese Strategie auch weiterhin funktioniert.

NRW Noir: Eure Texte handeln oft von düsteren und existenziellen Themen. Glaubt ihr, dass es eine kathartische Wirkung hat, solche Themen durch Musik auszudrücken?

Nino: Das kann ich schlecht beantworten. Mir ist die These (Aristoteles) zwar bekannt, aber sie ist eben auch umstritten.
In unserem speziellen Fall bin ich der Auffassung, dass wir keine kathartische Wirkung für uns selbst zu erzielen versuchen. Wir machen die Musik, die wir gerne selbst hören und spielen ein wenig mit Feuer… im Dunklen.

NRW Noir: Ihr arbeitet als Band seit über einem Jahrzehnt zusammen. Wie hat sich eure kreative Dynamik über die Jahre verändert?

Din-Tah: Wir haben 2010 als Duo ohne jeglichen Support angefangen und sind nach und nach erst auf „richtige“ Bandgröße angewachsen, worauf im Anschluss noch das Team durch Ton- und Lichttechniker sowie Merch erweitert ist. Der Inner Circle zählt derzeit 7 Personen und jeder trägt seinen Teil zum Ganzen bei.

NRW Noir: Du hast eine unverwechselbare Stimme, die oft als eindringlich und emotional beschrieben wird. Hast du bestimmte stimmliche Einflüsse oder Techniken, die du über die Jahre entwickelt hast?

Nino: Meine Gesangswurzeln liegen ganz klar im Grunge der 90s, in der späten Jugend kam dann ganz viel Metalgebrüll (Sepultura, Gojira) dazu und schlussendlich gesellten sich auch ruhigere Protagonisten wie Andrew Eldritch und Carl McCoy meinem Eskapismus.
Spezielle Techniken beherrsche ich nicht – Ich kann noch nicht einmal Noten lesen. Ich singe das, was der Song von mir will, so wie er es will.

NRW Noir: Wie wichtig ist es dir, dass die Hörer die tiefere Bedeutung deiner Texte verstehen, oder überlässt du das lieber der individuellen Interpretation?

Din-Tah: Die Texte sind schon offen geschrieben, so dass stets Platz für die individuelle Interpretation da ist. So kann jeder den Sinn auf seine persönliche Situation anpassen. Die Kernaussage und die Grundstimmung bleiben dabei gleich.

NRW Noir: Eure Musik hat oft cineastische Züge, als könnte sie der Soundtrack zu einem Film sein. Wenn du die Chance hättest, einen Film musikalisch zu untermalen, welches Genre oder welche Art von Geschichte würde dich reizen?

Din-Tah: Ohne viel nachzugrübeln, kam uns der „Film Noir“ in den Sinn. Der enthält eine richtige Mischung aus Atmosphäre, Coolness, Rauartigkeit und Nostalgie. Vielleicht ein Privatdetektiv in einem heruntergekommenen Viertel, an dessen Tür es klopft, während er den Flachmann in der Schublade verschwinden lässt.

NRW Noir: Wie siehst du die Rolle von sozialen Medien in der heutigen Musikszene? Ist es für dich eine Notwendigkeit, um mit Fans zu interagieren, oder eher eine Last?

Nino: Social Media ist ja gut und schön, aber wir machen Musik. Das sind zwei absolut unterschiedliche Bereiche. Soziale Medien sind meiner Meinung nach ausschließlich darauf ausgerichtet durch Datensammeln und gezieltes Ausspielen Kapital zu erwirtschaften. Und jeder <user> ist ein kostenloser Mitarbeiter (…) der den Verfall befeuert.
Musik ist dem gegenüber eher als alte, hedonistische Kunst zu betrachten. Das verträgt sich nicht so gut.
Leider ist man als Band heutzutage gezwungen, auf Social Media zu sein, ansonsten kommt keiner zu deinem Konzert und potenzielle Hörer werden deine Musik nie entdecken.

NRW Noir: Eure Musikvideos sind oft visuell sehr stark und symbolisch aufgeladen. Wie läuft der kreative Prozess ab, wenn ihr ein neues Musikvideo plant?

Nino: Wenn wir einen neuen Song haben, halten wir Ausschau nach geeigneten Personen zur Realisation des Musikvideos. Sobald wir diese gefunden haben, entwerfen diese ein Rohscript. Wir legen dann noch einiges bei (Ideen, Grafiken) und meistens klappt es dann auch recht gut mit der Umsetzung. Natürlich ist es ganz wichtig, dass die umsetzende Person den Vibe des Tracks versteht, aber das ist sehr oft der Fall.

NRW Noir: Wenn ihr euch einen Künstler oder eine Band aussuchen könntet, mit dem/der Aeon Sable eine Kollaboration eingehen könnte, wer wäre das und warum?

Din-Tah: Da könnten wir niemanden nennen. Das müsste sich von selbst entwickeln.

NRW Noir: Ihr seid bekannt für eure atmosphärischen Live-Auftritte. Was können die Fans auf eurer ersten USA-Tour erwarten? Gibt es besondere Überraschungen oder Momente, die ihr geplant habt?

Nino: Da unsere USA Westcoast Tour im Rahmen des Glōm Fests erst für September 25 anvisiert ist, bleibt uns noch genug Zeit um die Vorbereitungen dazu aufnehmen. Gigs von der Stange sollte man aber von uns nicht erwarten. Zumal der erste Eindruck zählt.

NRW Noir: Ihr seid eine Band, die stark auf DIY-Ansätze setzt, von der Produktion bis zum Artwork. Wie wichtig ist es für euch, die kreative Kontrolle in allen Aspekten eurer Musik zu behalten? 

Din-Tah: Der DIY-Ansatz hat sich eigentlich von selbst ergeben, dadurch dass wir in den Anfängen einfach keine Kontakte hatten und absolut auf uns selbst gestellt waren. Es ist immer gut, ein Handwerk zu beherrschen und dieses dann auch so weit zu perfektionieren, wie es geht. Der Vorteil ist, dass man zeitlich unabhängig ist und solange an seiner Arbeit werkeln darf, bis man vollkommen zufrieden damit ist, anstatt bis das Budget alle ist.

NRW Noir: Euer Debütalbum Per Aspera Ad Astra wurde 2010 veröffentlicht. Wie blickt ihr auf eure musikalische Entwicklung von damals bis heute zurück?

Nino: Meines Erachtens hat sich seit 2010 nicht allzu viel getan. Die Basics standen schon immer fest. In letzter Zeit sind wir vielleicht technischer und ein wenig metallischer geworden, was aber auch keine endgültige Richtung ist. Das Leben spielt ja auch nicht immer den gleichen Song.

NRW Noir: Was war bisher das eindrucksvollste Erlebnis in eurer Karriere als Musiker?

Nino: In 2012 waren wir mit Diane Wang am anderen Ende der Welt (Hongkong) um dort das Musikvideo zu Dancefloor Satellite zu drehen.

NRW Noir: Wie seht ihr die Rolle von Streaming-Diensten und digitalen Plattformen für eure Musik? Seht ihr darin eher Chancen oder Herausforderungen?

Nino: Natürlich bieten Streaming-Dienste die Möglichkeit Musik heutzutage weltweit zu verbreiten. Allerdings verliert sie meines Erachtens dadurch sehr viel von ihrem ursprünglichen Wert. Denn sie verschwindet in den Hintergrund und fügt sich dem Strom. Ohne CD Booklet, Geschichte und Spirit.

NRW Noir: Gibt es Songs oder Alben, die für euch eine besondere emotionale Bedeutung haben, vielleicht aufgrund der Umstände ihrer Entstehung?

Nino: Im Grunde genommen sehe ich die Musik die wir machen als Teil unseres Lebens. Wie ein Tagebuch, in welchem man wichtiges festhält, jedoch viel zu selten drin liest.

NRW Noir: Wie bereitet ihr euch auf Konzerte vor? Gibt es Rituale oder Routinen, die euch helfen, fokussiert und inspiriert zu bleiben?

Nino: Wir haben alle unsere kleinen Marotten, wenn wir Live unterwegs sind, aber zusammengefasst gilt unsere Maxime lediglich der perfekten Darbietung unserer Kunst. Wir üben recht viel und konzentrieren uns auf das, was wir können.

NRW Noir: In welchem Moment während einer Show spürt ihr, dass ihr eine tiefere Verbindung mit dem Publikum hergestellt habt? Was ist für euch das ultimative Ziel bei einem Live-Auftritt?

Nino: Meistens sind wir ab dem Moment, in dem die ersten Klänge von der Bühne ertönen in unserem Element. Zusammen mit allen Besuchern. Manchmal dauert es auch ein wenig bis der Eine oder Andere seinen Alltag abgelegt hat, aber in der Regel passiert es recht schnell.

Wir möchten uns ganz herzlich bei Aeon Sable für dieses spannende Interview bedanken.
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Mystik, Musik und der dunkle Vibe der 80er - Aeon Sable nehmen uns mit hinter die Kulissen ihrer kreativen Reise. In unserem exklusiven Interview sprechen sie über die Einflüsse, die ihre einzigartige Mischung aus Gothic Rock, Darkwave und Post-Punk prägen. Wir diskutieren die Herausforderungen der Szene, die Magie intimer Konzerte und ihre ersten Schritte zur USA-Tour im Jahr 2025. Ob über ihre cineastischen Musikvideos, die Ursprünge ihrer Texte oder die Balance zwischen DIY-Ethos und moderner Musikindustrie – hier erfahrt ihr alles, was die Band bewegt. Seid bereit, tief in die Kunst von Aeon Sable einzutauchen! Lest jetzt unser Interview mit Aeon Sable auf NRW Noir und erfahrt, warum sie in ihrer Musik mit Feuer im Dunklen spielen.